Schokobrunnen

… neulich im Schlaraffenland

Zugegeben: Gebratene Tauben fliegen nicht herum, aber der Schlaraffenlandfaktor ist trotzdem ziemlich hoch. „Kinder, heut’ fahren wir ins Museum“ — das ist normalerweise nicht unbedingt der Spruch, mit dem Vati sich beliebt macht, es sei denn ...

... die Reise geht nach Köln. Es wartet: Ein Museum voll Schokolade. Das sorgt für Vorfreude und macht die Anfahrt zum groß angelegten Coundown für Leckerschmecker. Die Adresse — einfach zu merken: Am Schokoladenmuseum 1.
Na denn: Auf ins Museum. Langweilig? Nicht die Bohne. Apropos Bohne: Mit ihr beginnt aller Genuss, und mit ihr beginnt der Rundgang durchs Museum und durch bekannte dreitausend Jahre Kakaogeschichte. Rund eintausend verschiedene Aromen stecken in der Kakaobohne. Eine Schatzkammer für die Geschmacksnerven. Eine Kathedrale aromatischer Sinnlichkeit. In Zeiten, da wir längst den Mond betreten haben, birgt die Kakaobohne unentdeckte Geheimnisse. Es geht systematisch zu im Museum. Am Anfang war die Bohne — Schokogeschichte. Es folgen Anbau, Produktion und Werbung. Und gerade Letztere hat einiges zu bieten in Sachen Verpackung. Merke: Es reicht nicht, dass der Inhalt begeistert.

Hans lernt mit

Die Kinder lernen endlich mal, dass der gemeine Schokohase nicht als Schokohase auf die Welt kommt. Da gab es doch in der Werbung mal den Spruch für ein Bonbon: Naschen ist gesund. Nun ja: Das Schokoladenmuseum vereint das Süße mit der Kenntnis und Letztere stellt sich beim Rundgang fast ganz von selbst ein. Immerhin gibt es für die Jüngeren eigens eine „kleine Schokoschule“. Da lernt es sich trefflich. Museumspädagogische Ansätze sind reichlich vorhanden. Und wie es oft ist im Elternleben: Mama und Papa lernen gern mit. Merke: Was für Hänschen gut ist, kann auch Hans nicht schaden.
Dass (derzeit) in unseren Breiten der Kakaoanbau noch nichts bringen dürfte, offenbart sich, sobald man durch eine eigens eingerichtete „Klimaschleuse“ einen Garten betritt, der Kakaowachstumsklima simuliert. Subtropisch geht es zu — mit Blick auf den Rhein.

Der Brunnen

Und dann das Schokoladenallerheiligste: Eine Produktionsstraße für süße Träume. Hier wird gezeigt, wie es zur Schokolade kommt, und dabei kommen alle zur Schokolade. Da steht er: Der Brunnen, dessen Fontänen dunkelschwer und bräunlich Vorahnungen auf das Schokoladenparadies wecken. Eine Dame tunkt Waffeln ins Schokobad, und jeder darf kosten. (Darf man sich zweimal anstellen? Warum nicht. Solang sich niemand anstellt.) Zugegeben — nichts für die Fastenzeit, aber: Lecker.
Schokoformen gibt es zu sehen: Hasen, Herzen, Himmelsboten — alles Schokoträume. Und die Cranche — das Schokobad. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass die Schokolade umso mehr Aromen abgibt, je länger man sie cranchiert. Das passiert in einer Art Wanne, durch die ein Schieber fährt und die zartschmelzigflüssige Masse in Bewegung versetzt.

Schokonostalgie

Neben dem Schokoladenhightech kann man auch sehen, wie’s früher zuging. Da stehen alte gemütlich anmutende Süßigkeitsmaschinen und verbreiten Schokonostalgie. Drei Etagen hat das Museum. In der zweiten befinden sich Kuriositäten und Altertümliches. Den Sarottimohr kennen nur Papa und Mama — wenn überhaupt. Zum „Staunstück“ mutiert: DDR Schokolade für hochgestellte Gäste. Und zwischen Tante-Emma-Herrlichkeit ein Blatt mit Noten: Der Schokoladenwalzer. Was es nicht alles gibt. Silberbecher zur Kakaoverkostung. Schokoladenwerkzeug aus dem Mutterland. Damals war der Kakao die Speise der Götter. Heute ist Göttliches an jeder Ecke zu haben. Schokoladenmanschettenknöpfe kann man bestaunen und — jawohl — eine kalorienträchtige Compact Disc: Die Schokoladen-CD. Pralinenschachteln waren und sind der Versuch, Geschmacksensationen angemessen zu verpacken.

Der Schokostorch

In der dritten Etage: Automaten. Und was für welche. Ja, ja — früher waren auch die Automaten Kunststücke und nicht einfach hochtechnologische Zweckmonster. Der Storch zum Beispiel: Er spendet Schokolade. Aber nicht nur das. „Nach 10 Pfg Einwurf Kurbel drehen. Der Storch gibt eine Schokoladenpuppe in originell bedruckter Schachtel ab und schreit gleichzeitig Mama“, heißt es in der Gebrauchsanleitung. Was waren das für Zeiten.

Dreikönigstorte

Zwischendrin immer wieder der Tribut an moderne Zeiten: Touchscreens für die Kleinen. Es gilt: Gelerntes spielend unter Beweis zu stellen. Am Ende der Abstieg. Zurück ins Profane, wenn da nicht das Café wäre, das Gelegenheit zum Selbstversuch bietet und eigentlich Cacao heißen müsste. Zwar gibt es auch das Getränk aus der anderen Bohne — aber die Schokolade nach Hausrezept (mit und ohne „Geistliches“) rundet das Erlernte ebenso ab wie die Dreikönigstorte, bei der es sich um ein konditorisches Kunstwerk der Extraklasse handelt. Merke: Ein Stück deckt den Kalorienbedarf eines ausgewachsenen Mannes für zwei bis drei Jahre. Trotzdem: Lecker.

Vorsicht im Laden

Dann dem Ausgang entgegen. Bloß nicht nach rechts ... zu spät: Der Museumsladen. Wo andernorts Postkarten und „Künstliches“ zwischen Buchdeckeln auf Leser- und Seherschaft wartet, breitet sich hier das Süßigkeitenuniversum geldverschlingend und mit all seinen Verlockungen aus. Schokolade in allen Formen, Verpackungen und geschmacklichen Möglichkeiten. Schokolade als Likör, als Hering, Schokobohnen mit Chili, Ökokakao und dunkle Schokolade: Zartbitter, einhundert Prozent Kakao. Genuss an der Medizingrenze. Wer sich in den Museumsladen wagt, sollte vorher ein Höchstbudget festlegen, damit der Besuch nicht zum Fiasko mutiert. Es gilt: Stark bleiben. Besser noch: Augen zu und durch. Und: Was sagt eigentlich der Zahnarzt zum Museumsbesuch? Antwort: Angucken ist ja nicht schlimm.

Trimm dich

Auf dem Rückweg vielleicht noch schnell auf den Dom: Am besten die Treppen nehmen: Dreikönigstorte abarbeiten. Oder gleich nebenan ins Olympia- und Sportmuseum. Die erklären vielleicht, was man gegen Übergewicht tun kann.
Infos zum Museum. Adresse: Köln, Am Schokoladenmuseum 1, aber Vorsicht: Nicht jedes Navi kennt schon die Adresse).  Öffnungszeiten: Geöffnet ist das Museum dienstags bis freitags zwischen 10 und 18 Uhr. (Sonn- und feiertags 11 bis 19 Uhr.) Erwachsene zahlen 6,50 Euro, Kinder 4 Euro und Geburtstagkinder (den Pass sollte man dabei haben, betreten am Geburtstag kostenlos das Schlaraffenland.)    Heiner Frost


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Heiner Frost
Erstellt: 24.12.2007, letzte Änderung: 24.12.2007