Kernie

Public Wohnzimmer

Der Park steht still und schweiget

9 Uhr morgens. Es wird ein sonniger Tag. Hans Groot Obbink erwartet zwischen 800 und 1.500 Besucher und Temperaturen um die 32 Grad. Das perfekte Amusierwetter geht anders: „Zwischen 20 und 25 Grad sind ideal für uns. Wenn es zu heiß wird, gehen die Leute lieber zum Schwimmen.“

Noch ist alles ruhig im Wunderland Kalkar. Um 10 Uhr öffnet die Kasse. Der Park steht still und schweiget — allerdings nur auf den ersten Blick, denn längst wird hinter den Kulissen des Vergnügens gearbeitet. Han Groot Obbink ist Geschäftsführer im Wunderland Kalkar, wo mittlerweile — feste und freie Mitarbeiter zusammen gerechnet —  rund 500 Menschen arbeiten.

Lange bevor der tägliche Besucheranstum beginnt, heißt es im Park groß Reinemachen, und der technische Dienst ist unterwegs im Gelände. Wo hakt etwas? Gibt es ein Fahrgeschäft, das nicht funktioniert? Bis zur Eröffnung soll alles in Ordnung sein. Die Gäste erwarten das perfekte Vergnügen, und sie bezahlen dafür. Perfektion — das ist nicht nur Technik, auch die Optik gehört dazu: Schnell noch mal ein paar Spinnweben wegwischen und ansonsten: Checkup nach Plan. Die Angestellten des Familienparks trudeln zwischen 9 und 9.30 Uhr ein. Spätestens  30 Minuten vor dem Start soll jeder am Platz sein. Dann beginnt der Probelauf der Karussells. Spätestens um 9.30 Uhr sollen auch die Gärtner fertig sein. Der erste Eindruck zählt. Und dazu gehören auch die Grünanlagen.

„Wir sind hier eine Art öffentliches Wohnzimmer.“

Wenn Groot Obbink das Gelände inspiziert, ist sich der Chef nicht zu schade, auch mal selbst eine Tüte vom Boden aufzuheben. Gutes Beispiel zählt mehr als gutes Reden. Und noch mal: Der erste Eindruck zählt. „Wir sind hier eine Art öffentliches Wohnzimmer“, erklärt der Chef. Public Wohnzimmer also. Der Gast soll sich wohl fühlen: Ab Sekunde eins. Die Animateure beginnen ihre Arbeit schon in Parkplatznähe. Gute Stimmung kommt nicht von selber.

Auf der Rückseite des Lächeln ist auch ein Lächeln

Arbeiten, wo die anderen sich amusieren — wie ist das? Was findet statt auf der Rückseite  des Lächelns? Für Groot Obbink ist die Antwort klar: „Auf der Rückseite Lächelns ist auch ein Lächeln.“ Wenn die Mitarbeiter gute Laune nur spielen — das Publikum würde es merken. Das wäre nicht gut. Wer zufriedene Gäste möchte, muss selbst zufrieden sein. Anders geht’s nicht.

Natürlich: Es gibt immer mal den einen oder anderen Kunden, der Nörgeln als Hobby betreibt. Damit muss man umgehen können. Wer sich kurz vor Toresschluss um 18 Uhr über den Park beschwert und dabei eine Eintrittskarte hat, die bereits um 10 Uhr morgens ausgestellt wurde, erweckt keinen überzeugenden Eindruck. Ab und an beschweren sich Besucher, weil sie in der Wildwasserbahn nass geworden sind. Aber es gibt, Groot Obbink macht keinen Hehl daraus, mitunter auch konstruktive Kritik. Die hilft weiter auf dem Weg zu einem Höchstmaß an Perfektion: „Du kannst immer etwas verbessern.“ Eben hier liegt eine der Maximen. Und daher gehen Ideen im Wunderland kurze Wege.

„Wir machen hier fast alles selbst, und die Mitarbeiter haben ein Auge auf den Betrieb“, erklärt Groot Obbink. Wenn jemand mit einer guten Idee kommt (Merke: Gute Ideen müssen realistisch sein), kann es sehr wohl passieren, dass mit der Umsetzung noch am selben Tag begonnen wird.

Damit sich die Gäste wohl fühlen, braucht es Perfektion auf der Gastgeberseite. Und die beginnt bei der richtigen Kalkulation des Personaleinsatzes. Jeder Tag beginnt mit einer Prognose. Die Prognose rechnet Besucherzahlen hoch. 2.000 Besucher fallen im Gelände kaum auf. Besetzung im ersten Gang. Alles easy. Kommen mehr Besucher als erwartet, kann die Besetzung im Park jederzeit kurzfristig aufgestockt werden. Dann werden die Leute von der Bereitschaft angerufen. Gewinn und Verlust werden nicht zuletzt von realistischem Mitarbeitereinsatz beeinflusst.

Der gute Geist im Park

Onat Nihdat ist für die Einsatzplanung zuständig, und er ist der gute Geist im Park. Wenn es ein Problem gibt: Er wird gerufen. Wenn es um Erste Hilfe geht: Er wird gerufen. Wenn es um Bereitschaftsdienst geht, ruft er.

Erste Hilfe? Was passiert denn so im Park? Unfälle gibt es immer mal. Auch ein Wespenstich ist ja eine Art Unfall. Schmerz und Spaß schließen sich aus. Schmerz — das ist Stress für alle Beteiligten, und Stress passt nicht zum Amusement. Zielgruppe im Wunderland sind Kinder bis zu zwölf Jahren und ihre Eltern. Wichtig: Kinder ticken anders. „Die kommen zu uns, entdecken ein Karussell, rennen darauf zu und sehen nichts anderes mehr“, erklärt Han Groot Obbink. „Das muss du wissen und darauf reagieren können.“ Also ist nicht nur das Karussell wichtig, sondern auch ein möglichst ungehinderter Zugang. Kleinigkeiten machen oft den Unterschied, und wer könnte das besser beurteilen als die Mitarbeiter. Im Wunderland setzt man auf die Manpower der eigenen Mannschaft und nicht auf Fremdbestimmung.

Was wird denn so verbraucht im Park?

Rund 300.000 Besucher hat der Park pro Saison.  300.000 Menschen sorgen für Zahlenwerk, und das sieht so aus: 89.470 Kilogramm Pommes, 7.220 Liter Fett, 15.895 Kilogramm Mayonnaise und 9.390 Kilogramm Curry Pulver werden pro Saison gebraucht.

Wer in den Park kommt,  zahlt den Eintritt: Dafür gibt’s dann nicht nur Fahrgeschäfte — es gibt auch Getränke, Eis und Pommes inklusive.  Mehr Zahlen: 29.447 Liter Kaltgetränke, 22.310 Teebeutel, 2.940 Kilogramm Kakao, 1.214 Liter Kaffee und 997.445 Trinkbecher gehören auch zum Durchschnittsverbrauch. 300.000 Besucher — rund 100.000 Trinkbecher — daraus ergibt sich eine erste „Peilung“. Han Groot Obbink: „Man geht davon aus, dass jeder Gast im Durchschnitt drei Portionen Pommes verzehrt, drei Eis isst und auch drei Getränke zu sich nimmt. Der Durchschnittsbesucher bleibt dabei mindestens vier Stunden im Park. 

Was und wie viel getrunken wird, hat natürlich mit der Großwetterlage zu tun. Apropos  Großwetterlage: Längst setzt man im Wunderland nicht mehr komplett auf „Outdoor“. Es gibt Kernies Theater, die Kletterwelt unterm Kühlturm, es gibt: Das Brüter Museum, (damit wird der Park auch für Schulklassen 'hoffähig', denn es gibt was zu Lernen) und es gibt einen Zirkus: Das Zelt im Zelt. In einem Circuszelt für 5.000 Personen ist ein kleines Circuszelt aufgebaut. Momentan sind täglich zwei Vorstellungen zu sehen.

Es ist 13 Uhr. Rund 1.300 Menschen sind im Park. Das fällt kaum auf. Es arbeitet: Die kleine Besetzung. Karussells werden im Wechsel betrieben. Ein Mitarbeiter — zwei Fahrgeschäfte. Eine Uhr informiert über den Wechsel. Wenn 3.000 Leute im Park sind, läuft die Sache anders: Alle Karussells werden dann von einem eigenen Mitarbeiter betreut. Schlange stehen ist kein Bestandteil des Vergnügens. Trotzdem kann’s vorkommen — zum Beispiel an heißen Tagen auf der Wildwasserbahn. Wenn auch in Holland die Ferien beginnen, startet die heiße Phase der Saison — vorausgesetzt, es ist perfektes Amusierwetter: 20 bis 25 Grad.

Clown



Heiner Frost
Erstellt: 18.03.2007, letzte Änderung: 18.03.2007