Top oder Topf


Großsilber

Theo Beyer ist 66 Jahre alt und hat 49 Jahre als Maurer gearbeitet. Er ist ein Hasselter Urgestein, hat zwei Schwestern, singt seit mittlerweile 50 Jahren im Kirchenchor und hat von seinem mittlerweile verstorbenen Vater ein ganz besonderes Hobby geerbt: HGrS.

Nein, Beyer ist nicht etwa Hobbychemiker. HGrS hat ein Idealgewicht von circa 4,5 Kilogramm und darf wie folgt beschrieben werden: Der Körper ist gedrungen, walzenförmig, mit breiter Brust und vollem Becken versehen. Der Rücken verläuft in einer leichten Wölbung und ist hinten gut abgerundet. Der Hals ist breit, die Schultern sind kräftig bemuskelt. Der Kopf ist gut ausgeprägt, er ist dicht am Körper angesetzt. Die Stirn ist breit, die Backen sind voll. Die aufrecht stehenden Ohren sind sehr stabil und fest im Gewebe. Die Rede ist — spätestens bei den Ohren wird es klar —  von Kaninchen.

HGrS steht für „Helle Großsilber“. Theo Beyer kennt sich aus mit HGrS. Seit er denken kann, hat er mit den Großsilbernen zu tun. Der Vater begann mit der Zucht, und der Sohn machte weiter. Seit 1932 sind die Hasselter Züchter in einem Verein (Kaninchenzuchtverein R 220 Hasselt und Umgebung e.V.) organisiert.

100 Punkte. Züchterhimmel

Beyers Vater begann 1937 mit dem Züchten, und der Sohn ist noch heute Mitglied im Verein. Immer am  zweiten Freitag eines Monats treffen sich die Züchter. 18 Mitglieder hat der Verein. Mit dem Züchternachwuchs sieht es mau aus. „Das ist nicht nur bei uns im Verein der Fall“, beschreibt Theo Beyer einen eher allgemeinen „Notstand“.

Kaninchenzucht liegt nicht eben im Trend. Trotzdem: Beyer ist einer vom alten Schlag — ein Züchter mit Leib und Seele.

Schon so manches seiner Zuchtexemplare hat er zu Ausstellungen „geschickt“. Dort werden die Tiere dann von Juroren begutachtet. Punkte werden vergeben. 100 Punkte — das wäre der Himmel eines Züchters, aber: „Diese Punktzahl ist noch nie vergeben worden“, ist sich Beyer sicher.

Dalmatinerkaninchen

Achtundneunzigfünf — das kommt vor, aber dann ist meist Schluss. Und natürlich gibt es nichts, was die strengen Augen der Preisrichter nicht sehen und beurteilen. Theo Beyer: „Mit dem Hellen Großsilber habe ich noch eine der leichter zu züchtenden Rassen.“ Bei DrSch sieht die Sache schon ganz anders aus. Das sind die Deutschen Rjesenschecken — eine Art von „Dalmatinerkaninchen“. Da kommt es dann auf den richtigen Fleck an der richtigen Stelle an — eine Wissenschaft für sich.

Werden Kaninchen eigentlich gedopt? Theo Beyer meint. „Nein.“ Er füttert Deuka und ab und zu Frischkost. Das war’s. Allerdings sind alle Tiere in seinem Stall geimpft. Das ist schon daher wichtig, weil ungeimpfte Kaninchen nicht zur Ausstellung zugelassen werden: Die Ansteckungsgefahr wäre einfach viel zu groß.

Wie in alten Zeiten übrigens sind Beyers Kaninchen in einem Schuppen hinterm Haus untergebracht. Geheizt wird da nicht. Die Kaninchen haben es gern etwas kühler. Und wo Nicht-Züchter sich in Sachen Langzeitwetterprognose der modernen Technik anvertrauen, genügt für Theo Beyer eine Felluntersuchung, um zu wissen, wie der Winter wohl werden wird.

Wandert denn hin und wieder eines Tiere auch in den Kochtopf? Natürlich. „Anfangs hatte ich allerdings mit dem Schlachten Probleme. Das hat früher mein Vater gemacht.“ Dass Kaninchenfleisch allemal besser ist als „irgendwelches“ Fleisch, dürfte vor allem dieser Tage für manchen nicht bedeutungslos sein. Und hier und da gibt’s zu Weihnachten statt Karpfen und Gans auch schon mal Langohr. Namen haben die Großsilber in Beyers Stall übrigens nicht. Das würde die Sache mit dem Schlachten dann vielleicht doch zusätzlich erschweren.



Heiner Frost
Erstellt: 18.03.2007, letzte Änderung: 18.03.2007