Schlüsselerlebnisse

Der Statthalter

Nicht immer kann der Heilige Antonius helfen. Bekanntlich ist der ja an höchsthimmlischer Stelle für die Wiederbeschaffung verlustig gegangener Sachen zuständig. Wenn also das Stoßgebet nach dem Verlust des Hausschlüssels oder der handzahmen Wasserschildkröte keinen Erfolg hat, bleibt - höchst profan und irdisch — die Anlaufstelle Fundbüro. In Kleve befindet es sich im Rathaus, Zimmer 6. Eben dort fungiert dann Timo Güdden als irdischer Statthalter des Heiligen Antonius. Dessen oberstes Gebot lautet: "Es kommt nicht so sehr darauf an, was man verliert — entscheidend ist, wer es findet."

Herr der Ringe

Übersetzung des güdden'schen Credo: Solange es ehrliche Finder gibt, haben Verlierer eine Chance. Und was wird nicht alles verloren: Schreckschusspistolen, Geldbörsen, Schmuck, Handys, Fahrräder und (kaum zu glauben) neulich sogar mal eine komplette Hüpfburg.

Anfragen gibt es täglich. Oft geht es um das Schlüsselerlebnis. Hochzeiten für Fundsachen: Kirmes und Karneval. Sind die tollen Tage vorbei, wird auch gern schon mal nach einem Ehering gefahndet. Hauptsache, die Moral ist nicht abhanden gekommen. 

Ein halbes Jahr nach Verlust der Sache ändern sich die Besitzverhältnisse. Dann nämlich ist der Besitzer streng genommen nicht mehr Eigentümer der Fundsache. Die wird entweder versteigert oder aber gegen eine Bearbeitungsgebühr dem Finder überlassen. Versteigert wird natürlich nur, was auch von Interesse ist. Fahrräder kommen zweimal jährlich unter den Hammer. Mit anderen Gegenständen wird gewartet, bis sich genügend angesammelt hat. Dann kann es passieren, dass Timo Güdden höchstselbst den Hammer schwingt und im Ratssaal zum Auktionator wird. 

Finderlohn

Wie war das doch gleich mit dem Finderlohn? Bis zu einem Wert von 1.000 Mark stehen dem ehrlichen Finder fünf Prozent zu. Von da an gibt es für jede weiteren 1.000 Mark drei Prozent. Längst nicht jeder Finder erhebt allerdings auch Anspruch auf seinen Lohn. 

1998 gab es bei der Stadt Kleve 189 Fundsachen — Fahrräder und Schlüssel ausgenommen. "Handys liegen jetzt voll im Trend." Es gab aber auch schon mal ein Paar Krücken in einer Telefonzelle. "Da fragt man sich, wie denn der Besitzer wohl nach Hause gekommen ist." 

Abschließend noch die Stimme des Gesetzes: "Wer eine Sache findet, hat dies unverzüglich anzuzeigen."


Heiner Frost
Erstellt: 18.03.2007, letzte Änderung: 18.03.2007