Eiszeit

Traummaße

Eiszeit — das ist für den Geologen etwas ganz anderes als vielleicht für den frisch Geschiedenen oder den Verkehrssicherheitsexperten. Für Massimo Sessa lauten die Traummaße einer Eiszeit: plus 25, minus 18. Dabei steckt hinter der ersten Zahl die ideale Außentemperatur und hinter der zweiten die Lagerkälte.

Sessa und seine Freundin Marcella betreiben eine Eisdiele. Eigentlich müssten die Namen in umgekehrter Reihenfolge genannt werden, denn Marcella ist offiziell die Chefin im Eiscafé, das es seit mittlerweile 42 Jahren gibt. Seit fünf Jahren sind die jungen Leute am Ruder — vorher war Onkel Antonio Chef am Platz. Der hat sich zur Ruhe gesetzt. Allerdings nicht ohne Massimo vorher in die Kunst des Eismachens einzuweihen, denn natürlich haben sie alle ihre ureigene Mischung — die Italiener. Fragt man Massimo nach den Details der Rezeptur, antwortet er — wie sollte es anders sein — mit eisigem Schweigen.

Wenn die Eiszeit brummt

Eis ist ein Saisongeschäft. Einfluss hat man keinen, denn das Wetter ist nicht käuflich. "Für uns ist es gut, wenn draußen die Temperatur bei rund 25 Grad liegt", beschreibt Massimo die idealen Verhältnisse. Ist es wärmer, sind die Menschen tagsüber im Schwimmbad und kommen erst am Abend.

Wenn die Eiszeit richtig brummt, werden in Massimos Eismaschine schon mal zwischen 60 und 80 Liter Milch 'verbraten'. Pro Tag, versteht sich. Rund 30 verschiedene Sorten hat er im Angebot. Jede muss einzeln vor- und zubereitet werden, in Portionen zu je acht Litern. Haltbar ist das Eis dann bis zu einer Woche. Danach wird entsorgt, denn: Qualität ist das oberste Gebot. Nichts wäre schlimmer als ein unzufriedener Kunde. Schlechter Eisgeschmack — das spricht sich rum. Und schlechte Nachrichten verbreiten sich, auch wenn es um den guten Ruf geht, leider immer schneller als gute.

Gibt es beim Eis eigentlich auch sowas wie Trends? "Klar gibt es die", antwortet Massimo ohne Zögern. "Aber da wären auch die eiskalten Dauerbrenner." Und das wären dann? "Zitrone, Erdbeer, Vanille, Nuss, Amarena und Straciatella." Letzteres ist für den gemeinen Niederrheiner schwer aussprechbar. Aus „Strratschiatella“ (mit dem norddeutschen st) wird dann schnell schon mal "Schtrazijatella". Manche bestellen sicherheitshalber auch "das Eis mit den Schokostreuseln".

Auf ein Schwätzchen

Vormittags wird in der Regel das Eis gemacht. Da ist im Laden noch nicht so viel los. Vormittags kommt auch Antonio auf ein Schwätzchen und einen Espresso vorbei. Da kann es dann auch mal vorkommen, dass der Ex-Chef das Eis verkostet. Ist er denn zufrieden mit dem Nachfolger. Ist er. Isst er. "Isse gute." Ein bisschen gehört ja zum Eismannauch der italienische Akzent.

Wo holt man sich denn die Inspiration in Sachen Eis? Alljährlich findet im italienischen Longarone (bei Venedig) eine Eismesse statt. Im Winter natürlich. Im Sommer ist schließlich Saison. Ein bisschen ist das wie bei den Modenschauen. Auch Eis ist eine Trendangelegenheit.

Eismesse

Aber bei der Eismesse geht es nicht nur um das gekühlte Endprodukt. "Da kriegst du alles zu sehen — angefangen von der Inneneinrichtung einer Eisdiele bis hin zu Löffeln und Bechern", beschreibt Massimo. Viermal sind er und Marcella schon bei der Messe gewesen. Irgendwann haben sie sich auch ein Angebot machen lassen. Was würde denn die Runderneuerung ihres Eiscafes kosten? "Da kämen schnell um die 85.000 Euro zusammen", beziffert Massimo den finanziellen Aufwand. Eine Menge Holz. Was gibt es für Gründe, optisch aufzurüsten? "Wir haben eine alte Theke. Da kannst du das Eis nicht sehen. Vor allem Kinder möchten das aber gerne. Das Auge isst schließlich mit." Kinder sind ohnehin das beste Barometer, denn sie sagen, was sie denken und beschreiben, was sie schmecken — notfalls ohne Gnade.

Was ist denn eigentlich anno 2005 das Trendeis? Da muss Massimo nicht lange überlegen: "Plätzcheneis ist sehr gefragt." Und was ist Plätzcheneis? Na, das ist halt Eis mit Plätzchenstücken — Schokoplätzchenstücken. Was genau kommt da nun rein? Massimo wird gesprächig: "Kannst du schweigen?" fragt er. "Klar doch."  "Ich auch“, sagt er mit einem Lächeln. Danke fürs Gespräch.




Heiner Frost
Erstellt: 18.03.2007, letzte Änderung: 18.03.2007