Die Farbe Lila


Traumalp — Albtraum

1.4. 2000. Rindern: Gerade wurden im fernen Hollywood die Oscars verliehen. Die Stars, die bei der Verleihung antreten, werden (von den Medien) gemacht und nur allzu häufig auch wieder vernichtet. Der Absturz vom Sternchenhimmel in die Vergessenheit hat so manchen in den Ruin getrieben. Und in die Einsamkeit. Denn: Mit dem Verlust des Ruhms verschwinden nicht selten auch die 'Freunde'. 

Dass es nicht nur unter den Menschen Stars gibt, dürfte sich herum gesprochen haben. Flipper, Lassie, Skippy, Claerance oder der vierbeinige Kommissar Rex sind nur ein paar Beispiele für Stars aus dem Tierreich. 

Aber wer kennt schon Karin? Einst war sie — von Presse und Fans umjubelt — das lila Wappentier der Schokolade und prangte von tausenden Plakatwänden. Das Leben als Schoko-Model ist allerdings (hier ist alles wie bei den Kolleginnen auf zwei Beinen) an ein Verfallsdatum gebunden. Schnell folgt ein Schoko-Model dem anderen. Wer zu alt ist, muss weg. 

Karin wurde vor sechs Jahren von einer niederrheinischen Casting-Agentur quasi von der Wiese weg zum Star gemacht. Vom beschaulichen Leben auf der Weide des Bauern Theo Jansen in Rindern trat sie den Weg in die Schweiz an. Fortan stand ihr Leben unter dem Motto: Die Farbe Lila. Foto-Sessions und Filmaufnahmen gehörten nun zu Karins Tagesgeschäft.  

Längst ist all das Schnee von gestern. An die Schokoladenzeit erinnern nur noch ein paar lila Strähnchen im jetzt wieder schwarzbunten Fleckenkostüm. Karins Abstieg begann mit einem Gelenkleiden, das sie sich beim stundenlangen Schrägstehen an den Schokohängen zuzog. Ein Tierarzt sprach das vernichtende Urteil: "Hüftdispersie." Das Aus kam quasi über Nacht. Karin war weg vom Fenster, sprich: Von der Alm. 

Besitzer Theo Jansen erhielt einen Anruf von der Castingagentur. "Die sagten dann: Entweder Sie holen Karin zurück, oder wir schicken sie ins Schlachthaus!" Jansen überlegte nicht lange. Mit einem Viehtransporter holte er Karin zurück. Das war vor drei Jahren.

In der letzten Woche kam nun eine neue Hiobsbotschaft. Das Finanzamt, das von Karins Karriere erfahren hatte, verlangt von Jansen eine deftige Nachzahlung für die lila Honorare aus Karins Glanzzeit. Sachbearbeiter Wolfgang Weidentriefer: "Wir wissen doch alle, was in der Werbebranche verdient wird. Es kann nicht angehen, dass Herr Jansen die Gagen nicht versteuert."

Jansen dazu: "Ich habe nie einen Pfennig gesehen." Das Finanzamt bleibt hart. 6.000 Euro soll Jansen innerhalb von vier Wochen zahlen. Andernfalls droht die Behörde mit Schlachtung. 

Theo Jansen ruft jetzt zu Portestaktionen auf. "Ich weiß mir nur noch mit der Öffentlichkeit zu helfen." Heute soll um 16 Uhr an der Begegnungsstätte in Rindern ein öffentlicher Sitzstreik stattfinden, zu dem Jansen auch Sachbearbeiter Weidentriefer und die Medien eingeladen hat. Jansen: "Ein Fall für Amnestier International. So viel steht fest."

Clou der Veranstaltung: Ein Referat von Horst Stern zum Thema: "Das Leben danach." Bauer Jansen hofft auf die Öffentlichkeit. "Es gibt Freimilch für alle."


Reportagen

Heiner Frost
Erstellt: 18.03.2007, letzte Änderung: 18.03.2007