Der Bär ist los

POM Look und sein Bär

Polizeioberkommissar Johannes Look ist heute mit Bär unterwegs. Das Tier ist fast so groß wie er, von dunkelbrauner Farbe, korpulenter Statur, hat traurigbraune Glaskulleraugen und ist ansonsten äußerst friedliebend, weil aus Stoff. Im Kleintransporter der Jugendverkehrsschule reist der Bär als Beifahrer — angeschnallt versteht sich.

Heute ist der Mann vom Kommissariat Vorbeugung in Sachen Erstklässler unterwegs. Es geht — wie so oft — um die Sicherheit, und es wird sich alles um das Thema Schulbus drehen. Ein wichtiges Thema: Lebensrettend. Unfallverhütend und spannend, denn der Mann von der Polizei kommt nicht als allzeit nörgelnder Besserwisser, sondern als einer, der längst weiß, dass Lernen mit Spaß für eine deutlich höhere Vergessens-Halbwertzeit steht.

Brückebnau

Der große Bär als Assistent wird die erste Brücke zu den Kindern bauen. So ein Bär muss eigentlich nur da sein ... sprechen kann er halt nicht. Das übernehmen die Kollegen Johannes Look und Werner Michajletzko. Sie besuchen die Grundschule, und es wird viel Neues geben für die Schuleinsteiger.

Kranenburger Wunder

Neben Polizei und großem Bär gibt es noch eine Hauptperson: Lothar. Lothar ist der Busfahrer. Seit mehr als 30 Jahren ist er dabei, und er hat schon die Eltern der Kinder gefahren, die jetzt allmorgendlich in seinen Bus steigen. Als die Erst- und Zweitklässler — geführt von Look und Michajletzko — aus der Schule zum Busplatz kommen, geschieht das Kranenburger Wunder: In Sprechchören wird Lothar begrüßt (es ist fast ein bisschen wie beim Fußball "Lo-thar!, Lo-thar!"). Der große braune Bär interessiert erst beim zweiten Hinsehen.

Zunächst einmal erklärt Johannes Look, dass schon beim Anfahren des Schulbusses Vorsicht angesagt ist. Der Wendekreis ist gewaltig, und bevor das Monstrum nicht steht, sollte kein Kind sich nähern. Dann die erste Mutprobe. "Wer von euch ist denn mutig?" fragt Look, und es sind viele, die sich da fingerhochhaltend oder lauter meldern. Als sie erfahren, worum es geht, schrumpft die Zahl der Freiwilligen spontan auf Null. Jemand soll den Arm in die Bustür halten, wenn Lothar den Schließknopf drückt. Nein, das will dann doch keiner. Das soll POM Look doch lieber mal selbst vormachen. Gesagt getan — und siehe da: Es kann nichts passieren, denn: Die Tür ist schlau und klemmt niemanden ein. Jetzt wollen's die Kinder auch versuchen.

Letzte Reihe mitte: Der Bär muss ran

Dann das Einsteigen. Die Devise lautet: Nur nicht drängeln, jeder kommt rein. Denn, so erzählt Look, es ist mal vor mehr als 10 Jahren ein Kind beim Drängeln unter den Bus gekommen und ganz schwer verletzt worden. Nein, hier wird keine blinde Panik erzeugt. Aber beschönigt wird auch nichts. Später wird Look eindrucksvoll die Kraft demonstrieren, die in so einem Bus steckt. Jetzt heißt es erst mal: Einsteigen und hinsetzen. Regel: Taschen gehören auf den Schoß und nicht in den Gang. Und wo ist der gefährlichste Platz im Bus? Die alten Hasen aus dem letzten Jahr haben sich die Sache gemerkt: "Letzte Reihe Mitte!" tönt es im Sprechchor. Das ist der Schleudersitz. Wenn Lothar bremst, gibt's da kein Halten mehr. Erzählen ist gut — Vorführen ist besser. Der Bär muss ran.

Der wird jetzt aufgestellt. Mitten im Bus. Lothar dreht eine Runde, und auf dem Rückweg wird er aus langsamer Fahrt einmal ganz sacht abbremsen. Jetzt ist der Bär los. Der fliegt jetzt lang durch den Gang. Und dabei ist Lothar doch ganz langsam gefahren. In den Gesichtern ist zu lesen: Lektion verstanden. Besser immer gut festhalten. Nicht nur das Leben als Bär ist im Bus gefährlich. Anschauungsunterricht. Sprüche klopfen ist das Eine — miterlebte Schwerkraft etwas ganz anderes. Das gute Erinnerungsvermögen der Erstklässler aus dem Vorjahr ist ein eindrucksvoller Beweis. "Letztes Jahr ist der noch ein Stück weiter geflogen", erinnert sich einer.

Richtig ist wichtig

Nächste Lektion: Aussteigen. Gaaanz wichtig: Immer erst gucken! Dann aussteigen. Richtig ist wichtig. Look und sein Kollege Michajletzko wollen es jetzt ganz genau wissen. Sie stellen sich — vier Meter entfernt — links und rechts von der Hintertür auf und zeigen mit den Fingern einer Hand jeder eine Zahl. Wer aussteigt, soll auf die Zahlen achten. "Drei und zwei", sagt ein Mädchen beim Aussteigen. Das stimmt. So wird's gemacht. Richtig ist wichtig.

Die Sache mit der Flasche

Und jetzt die Sache mit der Flasche. Eine Plastikflasche mit Mineralwasser drin hält einiges aus. Da kann sich eine ganze Lehrerin draufstellen, ohne dass was passiert. Ein paar Kinder gehen auch drauf. Es könnten noch mehr sein, aber es ist halt nicht viel Platz auf einer liegenden Flasche. Was wohl passiert, wenn die Flasche vor einem der Busräder liegt und Lothar losfährt? Mal sehen. POM Look legt die Flasche vors linke Vorderrad … der Bus fährt gaanz langsam an … und dann: Ein Riesenknall: Die Flasche ist explodiert. Look hat Flasche leer. Jetzt wissen alle, dass es unter dem Rad eines Busses sehr gefährlich ist. "Da kann man sterben."

Toter Winkel

Dann packen Look und sein Kollege die Plane aus: Ein riesiges schwarzes Dreieck aus schwarzer Folie. Drauf steht in gelber Schrift: Toter Winkel. Das Wort wird Look nicht benutzen. Das macht Angst. Aber es gibt wieder was zu Sehen. Ein Kind darf auf den Busfahrersitz — die anderen stellen sich auf die Plane. "Schau mal in den Spiegel", sagt Look. Das ist komisch: Unsichtbar sind sie, obwohl doch alle noch da sind. Wie das? Der Lothar kann also nicht immer alle Kinder sehen. Und das bedeutet: Gefahr. Am liebsten würden sie jetzt alle einmal auf Lothars Platz sitzen. Astronaut oder Busfahrer — das ist momentan egal. Der wichtigste Platz im Universum ist hinter dem Steuer des Schulbusses. Jetzt. Und hier.

Zum Abschluss des Besuches gibt es einen Ball und ein Bonbon für alle, und ein paar Regeln und Ratschläge gibt es auch.

Wenn im nächsten Jahr der Mann mit dem großen Bär zur nächsten Lektion kommt, dann werden sich die Zweitklässler erinnern, dass der gefährlichste Platz im Bus 'Letzte Reihe Mitte' ist. Das eine noch: Von allen Schulwegunfällen, die jährlich gemeldet werden, ereignen sich nur rund sieben Prozent bei der Benutzung von Schulbussen.


Heiner Frost
Erstellt: 18.03.2007, letzte Änderung: 18.03.2007